12vorFuchs Improvisationstheater

Alles muss Konsequenzen haben

Ich hab die letzte Moderation ziemlich verkackt. Ehrlich. Ich hab ganz beeindruckend das Pferd von hinten aufgezäumt und auf halbem Weg bemerkt, dass es ein Zebra ist. Dann bin ich verstummt.

Das war wahrscheinlich einer der besten Momente des letzten Jahres. Warum? Weil ich weder in Verzweiflung noch Selbstzerfleischung versunken bin, sondern die Sabine das Ganze in aller Ruhe hab retten lassen – sowas kann sie zum Glück mit traumwandlerischer Sicherheit – und dann ohne Stress viel Spaß beim Show-Spielen gehabt habe. Hinterher hab ich mich bei Sabine entschuldigt, was bei ihr original ein Schulterzucken hervorgerufen hat – soll nichts Schlimmeres passieren. Und damit war’s vorbei. Weg. Muss mich nicht mehr beschäftigen.

Oder doch? Alles muss schließlich Konsequenzen haben.

Deshalb beschäftigt mich diese Moderation noch immer. Woher diese Gelassenheit? Also, nicht dass ich das immer kann, aber diesmal war sie da. Muss wohl eine Konsequenz davon sein, sich seit mehr als zehn Jahren darauf zu verlassen, dass schon irgendwer von den Füchsen da ist, wenn der Hut brennt. Da könnte man jetzt richtig kitschig werden, mit Anekdoten von halb-abgetropften Spätzle für doch noch gehaltene Trainings, von frühmorgendlichen Taxi-Services ohne Tacho, von personalisierten Erinnerungen für Menschen mit besonderer Deadline-Einhalt-Problematik (siehe ich), von Hände-Halten in Gewitternächten, ganz abgesehen von unzähligen Momenten auf der Bühne. Trust your partner, trust yourself, trust the show.

Muss wohl eine Konsequenz sein aus der Tatsache, dass es im Impro nichts gibt außer denen, die da auf der Bühne stehen. Die müssen also genau so richtig und genug sein wie sie sind. Es ist nicht vorbereitet, also gab’s nichts vorzubereiten, das man durch prokrastinatives Kuchenbacken, Wäsche Waschen oder Serien Schauen verabsäumen hätte können. Come as you are. Es gibt nichts speziell für heute, das man wissen, geübt oder gelernt haben sollte.

Dieses Wissen wiederum ist paradoxerweise eine direkte Konsequenz aus jahrelangem Üben und Lernen. Zum Teil total fake-it-‘till-you-make-it-Style. Freude am Scheitern? Also ehrlich. Was soll denn daran schon toll sein?!? Aber wir schreien lachend „again!“ wenn’s schief geht, auch wenn’s innen nagt, solange bis die Freude sich tatsächlich echt anfühlt.

Auch das ist eine Konsequenz. Als ich vor sechzehn Jahren bei Stefans Wochenendkursen war, hat er mit Überzeugung postuliert, dass semi-rhythmisches Im-Kreis-Klatschen, „Daduda“-Sagen und sich mit imaginären Lasern Abschießen nicht nur im Moment Spaß macht, sondern etwas fürs Spielen auf der Bühne bringt. Irgendwie hat’s funktioniert. Also hab ich irgendwann das Hirn abgegeben und mich darauf verlassen, dass er einfach recht hat. (Keine Sorge, er ist kein Guru. Wenn er sagt „diesmal kommt sicher ganz wenig Publikum“, dann stellen wir sicherheitshalber noch eine Reihe Sesseln dazu.)

Meine Teilnahme an Stefans Wochenendkursen war übrigens eine direkte Konsequenz aus Nicht-nein-sagen-Können (sehr passend fürs Impro, wo die Devise immer „Yes, and…“ ist). Als ich damals –noch ein Teenager – an einem Samstagmorgen im Schneesturm am Eichgrabner Bahnhof stand und der Zug 40 Minuten Verspätung hatte, war meine Lust auf Impro beim Chemielehrer einer Freundin gelinde gesagt minimal. Aber ich hatte es ihr versprochen. Sie hatte sogar angeboten, den halben Kurs zu zahlen, weil sie nicht allein unter ‚lauter Erwachsenen‘ sein wollte. Also hab ich mich höchst widerwillig breitschlagen lassen – mit ungeahnten Konsequenzen. Diese ‚lauter Erwachsenen‘ sind ein unglaublicher Freundeskreis, Impro die Basis für jede Vorlesung und jeden Kurs den ich halte, und der Umgang mit Menschen als das was sie sind, in dem Moment jetzt, ein wunderschöner Grundsatz der an vielen Tagen aufgeht. Und wenn nicht: „Again!“

So, nun hab ich das Pferd wieder von hinten aufgezäumt. Wer gerne ein Zebra hätte, bitte einfach den Kopf 90° nach links wenden: Text und Zwischenraum machen wunderbare Steifen. Und den Rest? Einfach Improvisieren!

(Julia, April 2019)

Julia
Foto: Mirella Rusch

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